Interviewreihe „Nie wieder Selbstständigkeit?!“


24.03.2018 | FINANZCHEF24 | Alexander Krapp

Gibt es wirklich ein „Gründer-Gen“? Alexander Krapp ist davon überzeugt. Denn wer sich in die Selbstständigkeit wagt, muss auch mal Widerstände aushalten können: Von der eigenen Finanzierung über Mitarbeiterverantwortung bis hin zu externen Risiken wie Kundeninsolvenz. Wie er diese Hindernisse als Unternehmer gemeistert hat und warum für ihn mit dem Gründen noch lange nicht Schluss ist, erzählt er in unserer Interviewreihe „Nie wieder Selbstständigkeit?!“.

 

Finanzchef24: Herr Krapp, Sie haben 2009 die Digitalagentur SOULSURF gegründet und seitdem zwei weitere Unternehmen an den Start gebracht. Auch davor waren Sie bereits selbstständig. Können Sie sich überhaupt noch vorstellen, als Angestellter tätig zu sein?

Alexander Krapp: Gute Frage! Aktuell geht diese Vorstellung so gar nicht, nein. Ich nehme die Dinge gerne selbst in die Hand, entscheide selbst und trage auch die Verantwortung dafür. Das ist als Angestellter manchmal nicht so einfach möglich wie als Selbstständiger. Natürlich gibt es aber auch Nachteile: Als Selbstständiger ist man permanent mit dem Kopf bei der Firma oder aktuellen Geschäftsthemen. Abschalten fällt da manchmal nicht leicht. Schließlich landen auch externe und nicht kalkulierbare Risiken am Ende des Tages bei mir, sei es eine Insolvenz von Kunden, Schieflage in Projekten oder längere Krankheiten von Mitarbeitern. Solche Situationen erfordern meist schnelle Lösungen oder akutes Handeln, auch wenn man sie nicht auf dem Schirm hatte.

Finanzchef24: Wenn Sie zurückdenken, haben Sie damals lange mit dem Gedanken der Selbstständigkeit gespielt, bevor Sie den Schritt gemacht haben?

Alexander Krapp: Ja, das musste reifen. Der erste Gedanke daran kam bereits in der Schulzeit. Das war jedoch noch sehr schwer greifbar. Stärker wurde es dann nach dem Abschluss. Damals hatten ein Bekannter und ich uns eine Domain reserviert, ein Logo dafür entwickelt und das ins Netz gestellt mit dem Gedanken: „Jetzt sind wir selbstständig!“. Das war es dann aber auch. Zum Glück kam 2005 der Gedanke wieder hoch. Diesmal wurde er konsequent verfolgt und in die Tat umgesetzt. Auf dem Weg dorthin gab es immer wieder Menschen, die einen positiv bestärkt und motiviert haben. Das war sehr elementar.

Finanzchef24: Und wie lange hat es gedauert, bis Sie schwarze Zahlen geschrieben haben?

Alexander Krapp: Ungefähr eineinhalb Jahre. Wir haben damals nebenbei begonnen, SOULSURF aufzubauen. Anfangs noch als Feierabendprojekt von zwei Freelancern, aber immer mit dem Ziel der hundertprozentigen Selbstständigkeit mit eigenen Projekten. Irgendwann hatten wir genug Geld angespart, um zu sagen: „So, ab morgen machen wir nur noch unser eigenes Ding!“. Und circa eineinhalb Jahre später lief es dann so gut, dass wir keine Reserven mehr angreifen mussten und uns aus dem laufenden Cashflow selbst finanzieren konnten.

Finanzchef24: Mittlerweile beschäftigen Sie mehrere Angestellte. Was ändert sich, wenn man plötzlich nicht nur für sich selbst verantwortlich ist?

Alexander Krapp: Das ist anfangs eine harte Nummer. Du weißt, du bist dafür zuständig, dass am Monatsende die Gehälter gezahlt werden. Und das auch, wenn ein Projekt schief geht oder sich verzögert. Du stellst fest, dass du einen Mitarbeiter zusätzlich brauchst, verdienst aber noch nicht das Geld, was er dich kostet. Jetzt musst du dich entscheiden. Wir haben uns damals dafür entschieden. Natürlich verdient die zusätzliche Arbeitskraft auch zusätzliches Geld. Und je mehr Leute da waren, umso entspannter wurde es. Als jedoch Projekte wegbrachen oder sich verzögerten, stellte ich auch fest, dass ein guter Draht zu Banken und eine Reserve auf dem Geschäftskonto Vorteile haben können. Es kann ja nicht immer nur gut laufen.

Finanzchef24: Wie geht man am besten mit dieser Verantwortung um?

Alexander Krapp: Ich glaube, in der Lage zu sein, Verantwortung zu tragen, bringt man entweder schon „von Natur aus“ mit oder man lernt es bestenfalls mit der Zeit. Es muss einem jedoch klar sein, was das bedeutet: Sprich, in guten wie in schlechten Zeiten performen! Ohne Frage trägt man als Selbstständiger viel Verantwortung und muss dafür sorgen, dass die eigenen Mitarbeiter, Freelancer und Partner ihr Geld bekommen, mit dem sie ihre Miete zahlen, ihr Auto betanken oder wiederum ihre Mitarbeiter finanzieren können. Damit kann man als Inhaber entweder umgehen oder nicht. Es ist ja das eigene Geld, das man am Ende des Tages verantworten muss.

Finanzchef24: Was macht Sie als guten Chef aus?

Alexander Krapp: Da muss man jetzt die Leute fragen, die mit mir zusammenarbeiten. Ich für meinen Teil denke, dass es gut ist, offen und ehrlich zu sein. Und klare Ansagen zu formulieren, sodass jeder weiß, woran er ist. Wichtig ist auch, den Leuten zuzuhören und das zu bieten, was sie brauchen, um Spaß und Professionalität zu vereinen. Und im Gegenzug das Gleiche auch einfordern. Ich denke, ich kann Leute begeistern und überzeugen, einen gewissen gemeinsamen Weg mit mir beziehungsweise uns zu gehen.

Finanzchef24: Sie blicken auf viel Erfahrung als Unternehmer zurück. Was war bis jetzt die größte Hürde, die Sie nehmen mussten?

Alexander Krapp: Die größte Hürde war eine Mischung aus zwei Kundeninsolvenzen, einem Zahlungsverweigerer, einer personellen Veränderung und längeren krankheitsbedingten Pausen von zwei Mitarbeitern. Das war eine ziemliche Herausforderung, als das so gesammelt auf mich eingeprasselt ist.

Finanzchef24: Was hilft Ihnen, auch in schwierigen Phasen die Motivation nicht zu verlieren?

Alexander Krapp: Der Glaube an das Leben, mich selbst und mein positives Denken. Es geht immer weiter und es gibt immer einen Weg. Wenn du hinfällst, dann stehst du auf, schaust dich kurz um, prüfst, warum du hingefallen bist, nimmst das als Learning mit und gehst wieder weiter.

Finanzchef24: Glauben Sie, es gibt eine Art „Gründer-Gen“?

Alexander Krapp: Ja, definitiv! Ich habe die letzten Jahre so viele Leute getroffen, die sich selbstständig machen wollten und daran gescheitert sind. Weil sie eben dieses Gen nicht hatten. Im Gegenzug dazu gibt es viele, die es in sich haben, aber nicht aus dem Trott rauskommen. Da drücken monatliche Kosten, da gibt es einen gewissen Lebensstandard, der zu halten ist. Für Gründer gilt: Es ist erst mal Entbehrung angesagt. Viele Gründer starten zu Zweit oder zu Dritt, das verteilt meiner Meinung nach das Risiko auf mehrere Schultern und kompensiert möglicherweise Ängste oder noch nicht vorhandene Fähigkeiten. Ich kann es jedem nur raten, der länger mit dem Gedanken spielt: Give it a try!

Finanzchef24: Was muss man also Ihrer Meinung nach zwingend mitbringen, um als Unternehmer erfolgreich zu sein?

Alexander Krapp: Den Glauben an sich selbst, seine Geschäftsidee und sein Produkt. Es hilft, mit vielen Menschen darüber zu reden und sich regelmäßig auszutauschen. Es ist aber auch wichtig zuzuhören. Und man muss verdammt noch mal dran bleiben und nicht gleich aufgeben, wenn die ersten Hürden oder Rückschläge kommen. Und wenn du merkst, dass du auf einem toten Pferd reitest, ist es Zeit, abzusteigen. Auch das muss man können.

Finanzchef24: Ihre Agentur SOULSURF berät Unternehmen in allen Fragen der Digitalisierung und übernimmt dabei auch die technische Umsetzung neuer IT-Lösungen. Wo liegen dabei in Ihren Augen die größten unternehmerischen Risiken in der IT-Branche?

Alexander Krapp: Die Risiken bei uns liegen beim Thema Personal und in den einzelnen Projekten. Wenn wir keine guten Leute bekommen und halten können, dann können wir nicht liefern. So geht es vermutlich vielen Unternehmen. Und im Projekt kann auch vieles daneben gehen. Da verschieben sich gerne Mal ganze Mann-Monate nach hinten. Das muss man dann mit den neu startenden Projekten in Einklang bringen. Oder man verliert den Umfang des Projekts aus den Augen. Was als Unternehmenswebsite mit fünf Funktionen begann, endet als Portallösung mit zwei Apps und CRM-Anbindung.

Finanzchef24: Wie sichern Sie sich gegen solche Risiken ab?

Alexander Krapp: Hinsichtlich der Projekte stecken wir aus Erfahrung viel mehr Zeit in die Konzeption und das Anforderungsmanagement. Damit es nach hinten raus besser läuft. Das zahlt sich aus. Durch agiles Arbeiten und wöchentlich geplante Sprints sind der Kunde und wir immer sehr nah am aktuellen Stand. Wenn dann was aus dem Runder läuft, kann man schnell eingreifen und handeln – auf beiden Seiten. Für den Fall von seltenen, aber doch ab und an auftretenden Widrigkeiten im Projekt haben wir eine gute Gewerbehaftpflichtversicherung.

Finanzchef24: Gibt es auch Risiken, gegen die man sich gar nicht absichern kann?

Alexander Krapp: Mitarbeiter verändern sich, studieren oder kündigen, dagegen kann man sich nicht absichern. Wir haben über die Jahre ein gutes aktives Netzwerk an Partnern und Freelancern geschaffen, auf die wir bei Bedarf zurückgreifen können. Gleiches tun diese auch mit uns.

Finanzchef24: Was möchten Sie zukünftig als Unternehmer noch erreichen?

Alexander Krapp: Ich würde gerne weitere Produkte in unserem Umfeld entwickeln und daraus weitere Unternehmen ausgründen. Aktuell steht ein SOULSURF-Produkt kurz vor dem Launch, das sich im Bereich Internet of Things bewegt und produzierende Unternehmen bei der Optimierung und Visualisierung ihrer Arbeitsprozesse unterstützen soll. Auf der anderen Seite habe ich großen Gefallen daran gefunden, Vorträge zu halten und als Redner aufzutreten, hauptsächlich vor Mittelständlern, Start-ups und Studenten. Das würde ich gerne stärker ausbauen. Das macht Spaß, denn man bekommt viele Sichtweisen und Meinungen aus anderen Branchen und Lebenssituationen.

Finanzchef24: Herr Krapp, herzlichen Dank für Ihre Zeit und viel Erfolg für alle weiteren anstehenden Projekte!

 

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